November 2011: Glasschwamm Laocoetis paradoxa (Münster)
Oberjura (ca. 155 Millionen Jahre)
Streitberg, Oberfranken
Höhe des Fossils: 24 cm
Schwämme (Tierstamm: Porifera) sind multizelluläre Organismen mit relativ wenigen unterschiedlichen Zelltypen. Sie besitzen keine regelrechten Gewebe und auch kein Nervensystem. Dafür zeichnen sie sich durch eine enorm hohe Regenerationsfähigkeit aus. Drücken Sie einen lebenden Schwamm durch ein Seidennetz, so formiert er sich auf der anderen Seite wieder zu seinem ursprünglichen Aussehen.
chwämme sind im allgemeinen am Grund von Gewässern siedelnde Organismen, die Kleinstlebewesen als Nahrung aus dem Wasser filtrieren. Sie funktionieren im Idealfall als durchströmter Hohlkörper mit einer porösen Wand und einem zentralen Kanal, der das einströmende Wasser nach oben aus dem Schwamm herausleitet (Abb. 1).
Die meisten Schwämme haben ein Skelett, welches im einfachsten Fall ein kolloidales Gel sein kann. Häufig besteht es allerdings aus einer hornigen Substanz (Spongin) oder aus kalkigen und/oder kieseligen Nadeln (Spicula). In besonderen Fällen können Schwämme zusätzlich zu den Nadeln auch massive Kalkskelette ausbilden. Glasschwämme (Hexactinellida) besitzen ein Nadelskelett aus Opal-Kieselsäure mit großen (Makroskleren) und kleinen Nadeln (Mikroskleren).
Glasschwämme lassen sich weit über 600 Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurückverfolgen. Sie gehören damit zu den ältesten vielzelligen Tieren der Erdgeschichte. Glasschwämme sind eine eher konservative Tiergruppe, d.h. sie haben in ihrer langen erdgeschichtlichen Entwicklung nur geringe evolutive Veränderungen durchlaufen. Die hier beschriebene Gattung Laocoetis ist von der Mitteljura-Zeit bis heute – also für die Dauer von ca. 170 Millionen Jahre – bekannt. Sie ist damit die, zeitlich gesehen, beständigste Form der Glasschwämme überhaupt.
Unser Fossil des Monats November, der Glasschwamm Laocoetis paradoxa, stammt aus dem Oberjura bei Streitberg in Oberfranken. Der Schwamm liegt in vorwiegend kieseliger Erhaltung vor. Die Oberfläche wurde leicht angeätzt um die Struktur des Skelettes besser sichtbar zu machen. Schon mit dem bloßen Augen erkennt man eine gitterartige Struktur mit rundlichen Poren, die die Einströmkanäle widerspiegeln. Bei einer gewissen Vergrößerung lassen sich darüber hinaus die für einen Glasschwamm typischen, rechtwinklig angeordneten Nadelgerüste erkennen (Abb. 2)
Das Gebiet Oberfrankens lag in der Oberjura-Zeit am Nordrand des Ur-Mittelmeeres, der Tethys, und war Teil eines ca. 3000 km langen Riffgürtels, der sich vom heutigen Ostspanien bis nach Polen erstreckte. Der Riffgürtel bot ideale Bedingungen für das Wachstum der Glasschwämme. Die Schwämme siedelten zumeist in tieferen Schelfarealen in ungefähr 80 bis 100 m Wassertiefe. In flacheren Meereszonen wuchsen vor allem Korallen, Glasschwämme traten hier nur selten auf. Heute leben Glasschwämme vor allem in Tiefsee-Meeresbereichen bei vergleichsweise niedrigen Wassertemperaturen (nicht über 15°C).
Martin Nose und Patrizia Will