März 2015: Ästige Steinkoralle

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Thecosmilia sp.
SNSB-BSPG 2013 XXII 35
Oberjura (ca. 150 Millionen Jahre)
Mergelstetten-Formation/Oberer Massenkalk
Nattheim, Schwäbische Alb
Durchmesser des Fossils: 6 cm

Foto: Manuela Schellenberger

Steinkorallen sind die Erbauer unserer heute lebenden Riffe in den warm-tropischen, flachen Meeren zum Beispiel der Karibik und des Indopazifiks. Das größte Korallenriff der Welt, das Große Barriere-Riff, erstreckt sich mit ca. 2000 km Länge vor der Nordostküste Australiens.
Steinkorallen gehören zu den Blumentieren (Anthozoa), eine Gruppe innerhalb der Nesseltiere (Cnidaria). Es handelt sich um einfach gebaute, vielzellige Organismen. Die Basiseinheit des Steinkorallengewebes ist der Polyp, ein sack- oder tassenförmiges Gebilde, dessen offenes Ende in eine Mundscheibe mit Schlundrohr umgewandelt ist, welches häufig von einem Tentakelkranz umstanden wird. Das Innere der Polypen ist von sog. Fleischsepten (Mesenterien) radiärsymmetrisch unterteilt. Vor allem im Bereich der Tentakel sind Nesselzellen mit einer Stichvorrichtung entwickelt, die dem Nahrungserwerb dienen.

Der Polyp sitzt mit dem Boden auf einer kalkigen Fußscheibe auf, die ihrerseits auf felsigem oder sandigem Substrat festgeheftet ist. Die Basalplatte und die ringförmige Außenwand (Theca) bestehen bei den Steinkorallen aus Kalziumkarbonat (CaCO3), das von der äußeren Gewebeschicht (Ektoderm) der Polypen gebildet wird. Von der Basalplatte ausgehend bilden sich zwischen den paarigen Mesenterien kalkige Wände, die sog. Sklerosepten. Somit sitzt der lebende Polyp auf einem kalkigen Kelch auf, der die Weichteilstruktur der Koralle gut abbildet. Steinkorallen, v.a. der warmen Flachmeerregionen, sind in der Regel koloniebildend, d.h. unzählige Korallenpolypen bilden einen lebenden Überzug auf teils großen Korallenstöcken, die mehrere Meter Durchmesser und ein Alter von mehreren Hundert Jahren erreichen können. Ihre Kalkskelette weisen eine saisonale Wachstumsbänderung auf, die es ermöglicht auf das Alter und die Wachstumsgeschwindigkeit der Steinkorallen zu schließen (Sclerochronologie). Die Skelette dokumentieren somit zeitlich fassbare Umweltveränderungen (u.a. Wassertemperatur, Kohlendioxid-Gehalte) und stellen somit ideale Klimaarchive für die Tropen dar.


Zum Nahrungsspektrum von Steinkorallen gehören neben Kleinstorganismen (Zooplankton) auch gelöste organische Materie, die über die Gewebeoberfläche aufgenommen werden kann, und Kohlenhydrate aus der Photosynthese der häufig, v.a. in den tropischen Flachmeeren, mit den Korallen in Symbiose lebenden Algen, den sog. Zooxanthellen. Sie leben in großer Dichte (ca. 1 Mio. Algenzellen/cm2) in den Zellen der inneren Gewebelage (Entoderm), die die Körperhöhle der Polypen auskleidet. Die Korallen-Zooxanthellen-Symbiose spielt auch eine wichtige Rolle bei der Kalkauscheidung der Korallen.


Fossil sind Steinkorallen seit ca. 240 Millionen Jahren bekannt, die ersten Vertreter erscheinen offenbar in der mittleren Trias. Allerdings findet man bereits im Paläozoikum (Ordovizium und Perm) teilweise Korallen, die den Steinkorallen sehr ähneln und eindeutig nicht den altertümlichen Runzel- oder Bödenkorallen zuzuordnen sind, die am Ende des Paläozoikum ausstarben. Es wäre demnach möglich, dass die Steinkorallen durchaus schon sehr viel früher, bereits im frühen Paläozoikum vor ca. 450 Millionen Jahren, auf den Plan getreten sind. Diese Hypothese wird auch durch molekularbiologische Daten von lebenden Tiefwasser-Steinkorallen gestützt.

Thecosmilia ist eine typische Steinkorallen-Gattung der oberen Jura-Zeit, in der das Riffwachstum durch ein ausgeglichenes warmes Klima und einen hohen Meeresspiegel mit weit gefluteten Kontinentalrändern generell sehr begünstigt war. So bildete sich entlang des Nordrandes des Urmittelmeeres, der Tethys, vor ca. 150 Mio. Jahren ein mehrere Tausend Kilometer langer, ausgedehnter Korallen- und Schwamm-Riffgürtel, der von Ostspanien über Frankreich, die Schweiz und Süddeutschland bis nach Polen reichte. Diese Riff-Kalksteinkomplexe prägen heute ganze Landschaften wie zum Beispiel den Französich-Schweizerischen Jura sowie die Schwäbisch-Fränkische Alb.


Unser Fossil des Monats März liegt nicht in kalkiger, sondern in kieseliger Erhaltung vor. Diese Besonderheit beruht auf dem Umstand, dass das ursprünglich kalkige Skelett der Korallen während der Diagenese (Prozess der Verfestigung von Lockersedimenten und die Veränderung des Gesteins bei relativ niedrigen Drücken und Temperaturen) in Kieselsäure (SiO2) in Form von Quarz bzw. Chalcedon umgewandelt wurde. Dieses Phänomen ist v.a. in den Jura-Riffkalken auf der östlichen Schwäbischen Alb im Raum Heidenheim (Nattheim, Gerstetten) anzutreffen. Der Verkieselung ist es zu verdanken, dass die Korallen so fantastisch erhalten sind. Um die Korallen allerdings von der sie umgebenden Kalk-Grundmasse zu befreien bzw. sie in Gänze überhaupt sichtbar zu machen, bedarf es einer sehr aufwendigen Säurepräparation.



Martin Nose