Juli 2015: Muschelpflaster aus dem Posidonienschiefer von Mistelgau (Oberfranken)
Pseudomytiloides dubius (Sowerby, 1829)
Unterer Jura, Toarcium
Alter: ca. 182 Millionen Jahre
Oberfranken, Mistelgau bei Bayreuth Länge der Platte: 60 cm
SNSB-BSPG 2014 I 55
Das Fossil des Monats ist eine Gesteinsplatte mit zahlreichen Exemplaren der Muschel Pseudomytiloides dubius aus dem Posidonienschiefer Frankens. Es handelt sich um ein Massenvorkommen dieser länglichen, an Miesmuscheln erinnernden Art. Der Posidoniensschiefer ist eine Formation des Schwarzen Juras und hat ein Alter von etwa 180 Millionen Jahren. Der Posidonienschiefer tritt weiträumig im Vorland der Schwäbischen und Fränkischen Alb zutage. Diese Formation ist eine der wichtigsten Fossillagerstätten des Erdmittelalters. Aus ihr wurden herrliche Skelette von Fischsauriern, Meereskrokodilen, Fischen und anderen Wirbeltieren geborgen.
Der Posidonienschiefer ist ein sogenannter Schwarzschiefer, das heißt ein dunkles Tongestein mit einem hohen Anteil an Kohlenstoff organischer Herkunft und fein verteiltem Schwefelkies (Pyrit). Solche Gesteine wurden meist unter mehr oder weniger starkem Mangel an Sauerstoff im und auf dem Meeresboden oder in der Wassersäule oberhalb des Meeresbodens abgelagert. Dieser Sauerstoffmangel führte dazu, dass der organische Kohlenstoff im Sediment nicht oxidiert wurde. Daher sind Gesteine wie der Posidonienschiefer oft Erdölmuttergesteine. Weiterhin führte der Sauerstoffmangel am Meeresboden zu schlechten Lebensbedingungen, so dass keine oder nur wenige auf solche Bedingungen spezialisierte Arten dort leben konnten. Dies hatte zur Folge, dass der Meeresboden nicht oder nur eingeschränkt von Tieren auf der Suche nach Nahrung durchwühlt wurde, wie das bei Meeresböden mit guter Sauerstoffversorgung der Fall gewesen wäre. Dem Fehlen oder der Seltenheit von wühlenden Organismen oder auch von Aasfressern ist es zu verdanken, dass Skelette von Fischsauriern oder anderen Wirbeltieren im Posidonienschiefer so gut und vollständig erhalten sein können. Die gute Erhaltung ist also eine Folge der lebensfeindlichen Umwelt, die es verhinderte, dass die aus höheren Wasserschichten herabsinkenden Kadaver von Aasfressern zerfetzt oder deren Skelette von Bodenwühlern zerstreut wurden.
Die Muschel Pseudomytiloides dubius ist eines der häufigsten Fossilien des Posidonienschiefers. Die Art ist auch aus dem älteren, darunter liegenden Amaltheenton bekannt. Somit ist Pseudomytliodes dubius ein Überlebender des Massenaussterbens am Ende der Zeit des Pliensbachiums, dem dann die Schwarzschiefer aus der Zeit des Unteren Toarciums folgen.
Die vorliegende Platte wurde aus einem fladenförmigen Kalkkörper freipräpariert – einer sogenannten Konkretion. Solche Konkretionen, auch Laibsteine genannt, treten in Horizonten des sonst tonig-blättrigen Posidonienschiefers auf. Konkretionen entstehen durch chemische Prozesse sehr schnell nach der Ablagerung von Sedimenten und verhindern durch natürliche Zementierung, dass das Gestein und die darin enthaltenen Fossilien zusammengedrückt werden. Somit ist die Muschel Pseudomytiloides dubius stark gewölbt erhalten, wie sie es auch zu Lebzeiten war. Normalerweise ist diese dünnschalige Muschel durch Gebirgsdruck flachgedrückt. Die Muscheln bilden eine Lage in der Konkretion. Einige Muscheln auf der Platte erreichen eine Länge von ca. 6 cm, während die meisten Exemplare wesentlich kleiner sind. Dies könnte auf eine natürliche Altersstruktur durch Besiedelung von mindestens zwei Larvengenerationen mit wenigen alten und zahlreichen jugendlichen Exemplaren hindeuten. Viele der kleineren Exemplare zeigen eine starke konzentrische Berippung, die bei den großen Stücken meist fehlt. Dies könnte auf die Anwesenheit von zwei verschiedenen Arten hinweisen.
Früher wurde allgemein angenommen, dass die Muschel Pseudomytiloides dubius an im Meer treibenden Gegenständen festgeheftet war zum Beispiel an Treibholz oder Algen. Die Exemplare seien demnach auf den Boden herabgesunken. Diese Vermutung ging von der Annahme aus, dass Bodenleben im Posidonienschiefermeer generell wegen der lebensfeindlichen Bedingungen unmöglich war. Im Prinzip konnte sich Pseudomytiloides dubius mit sogenannten Byssusfäden sowohl an treibende als auch am Boden liegenden Objekten festheften. Im Allgemeinen geht man heute davon aus, dass die Art am Grund des Posidonienschiefermeers leben konnte und vermutlich an geringe Sauerstoffkonzentrationen angepasst war. Schon bei leichten Erhöhungen der Sauerstoffverfügbarkeit konnte sie den Meeresboden massenhaft besiedeln. Für eine Toleranz geringer Sauerstoffkonzentrationen spricht auch, dass Pseudomytiloides dubius die Sauerstoffkrise an der Wende vom Pliensbachium zum Toarcium vor etwa 183 Millionen Jahren überlebt hat, die in Mitteleuropa mit einem Massenaussterben verbunden war. Reinhart Veit (Velden) gebührt Dank für die aufwändige Präparation des Stückes.
Alexander Nützel (München) & Christian Schulbert (Erlangen)