Dezember 2015: Kalkschwamm

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Endostoma sp.
Oberjura (ca. 155 Mio. Jahre)
Mergelstetten-Formation/ Oberer Massenkalk
Nattheim, Schwäbische Alb
Höhe des Fossils: 10 cm

Schwämme (Tierstamm: Porifera) sind multizelluläre Organismen mit relativ wenigen unterschiedlichen Zelltypen. Sie besitzen keine regelrechten Gewebe und auch kein Nervensystem. Dafür zeichnen sie sich durch eine enorm hohe Regenerationsfähigkeit aus. Drücken Sie einen lebenden Schwamm durch ein Seidennetz, so formiert er sich auf der anderen Seite wieder zu seinem ursprünglichen Aussehen.
Schwämme sind im allgemeinen am Grund von Gewässern siedelnde Organismen, die Kleinstlebewesen als Nahrung aus dem Wasser filtrieren. Sie funktionieren im Idealfall als durchströmter Hohlkörper mit einer porösen Wand und einem zentralen Kanal, der das einströmende Wasser nach oben aus dem Schwamm herausleitet. Die meisten Schwämme haben ein Skelett, welches im einfachsten Fall ein kolloidales Gel sein kann. Häufig besteht es allerdings aus einer hornigen Substanz (Spongin) oder aus kalkigen und/oder kieseligen Nadeln (Spicula). Das Skelett der Kalkschwämme (Calcarea) besteht vollends aus Kalziumkarbonat (CaCO3) und wird von freien, selten verbundenen oder zementierten, vor allem dreistrahligen Schwammnadeln (triradiate Spicula) aufgebaut. Teilweise ist zusätzlich ein massives basales Kalkskelett entwickelt.

Schwämme lassen sich weit über 600 Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurückverfolgen. Sie gehören damit zu den ältesten vielzelligen Tieren der Erdgeschichte.

Im Oberjura, vor 155 Millionen Jahren, lag ganz Süddeutschland unter Meeresbedeckung am Nordwestrand der Tethys (Ur-Mittelmeer). In diesem Schelfmeer lagerten sich epikontinentale Sedimente ab, die heute die Mittelgebirgszüge der Schwäbischen und Fränkischen Alb bilden. Es handelt sich um ca. 400-600 m mächtige Abfolgen aus hellen Kalken und Mergeln, die häufig Riffe führen. Diese Riffe werden i.w. von Schwämmen und Korallen unter der Beteiligung von Mikrobenkrusten aufgebaut. Kalkschwämme treten vor allem in den korallendominierten Riffvergesellschaftungen auf. Im oberflächennahen, gut durchlüfteten Wasser der Korallenriffe fanden sie ideale Wachstumsbedingungen, nicht zuletzt auch aufgrund der guten Verfügbarkeit von besiedelbaren Hartsubstraten. Nicht selten beobachtet man den Aufwuchs von Kalkschwämmen auf Muschelschalen, Korallenbruchstücken oder grobem Riffschuttsediment. Auch das Nährstoffangebot war in den artenreichen Korallenriffen vermutlich gut, wenn man die zum Teil großwüchsigen Exemplare von einigen Kalkschwämmen, wie z.B. Endostoma, betrachtet.

In den letzten Jahren wurden der hiesigen Staatsammlung diverse, kleinere Kollektionen von Oberjura-Schwämmen aus dem Gebiet der östlichen Schwäbischen Alb von einem Sammler aus Heidenheim angeboten. Dank der finanziellen Unterstützung des Fördervereins konnten verschiedene Serien des gut erhaltenen und präparierten Materials angekauft werden. Die Vorkommen auf der östlichen Schwäbischen Alb zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die Fauna verkieselt vorliegt. Dies bedingt einerseits eine vorzügliche Erhaltung der Skelettreste, erfordert andererseits aber auch einen aufwändigen Präparationsprozess, der das Herausätzen der Fossilien mit verdünnter Salzsäure beinhaltet.



Der hier ausgestellte Kalkschwamm Endostoma sp. fällt durch seine Verzweigungen und das Aufwachsen auf einem ästigen Korallenbruchstück (unten rechts) auf. Das Stück stammt aus der Umgebung von Nattheim, einer unter Sammlern und Paläontologen überregional bekannten Fundregion, die v.a. durch exzellent erhaltene Korallen, aber auch durch Seeigel, Muscheln, Schnecken und Schwämme große Bedeutung erlangt hat.



Martin Nose