Dezember 2011: Schädel eines Stachelschweins

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Hystrix primigenia (Wagner, 1848)
Alter ca. 8 Millionen Jahre (Obermiozän)
Pikermi bei Athen (Griechenland)
BSPG AS II 144

Stachelschweine zählen zu den Nagetieren, die die heute artenreichste Gruppe innerhalb der Säugetiere bilden und so unterschiedliche Formen wie Mäuse, Biber, Agutis, Nacktmulle und Wasserschweine enthalten. Das wichtigste gemeinsame Merkmal sind die Namen gebenden lebenslang wachsenden Nagezähne, von welchen jeweils ein Paar im Ober- und Unterkiefer der Tiere sitzt.

Fossilien von Stachelschweinen sind selten. Der hier ausgestellte Schädel eines Individuums der Art Hystrix primigenia ist einer der am besten erhaltenen Funde. Er ist seit über 150 Jahren Bestandteil der Säugetiersammlung der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. Nach seiner Erstbeschreibung in der Literatur von 1857 bildet er bis heute wichtiges wissenschaftliches Untersuchungsmaterial. Bayerische Soldaten König Ottos von Griechenland entdeckten ihn 1839 in der griechischen Fossilfundstelle Pikermi nahe Athen.

Der Schädel ist seitlich gequetscht. Rechte und linke Schädelseite sind gegeneinander verschoben. Die rechte Backenzahnreihe und Jochbogen gingen verloren und haben eine große künstliche Öffnung im Schädel hinterlassen. Der Blick auf das Gaumendach zeigt die sehr gut erhaltenen, großen Nagezähne, die eine Schicht aus orange gefärbtem Zahnschmelz tragen. Außerdem ist die hervorragend erhaltene vollständige linke Backenzahnreihe zu sehen, die bei Stachelschweinen aus einem Vorbackenzahn und drei Backenzähnen besteht. Dazwischen befindet sich eine für Nagetiere typische große Zahnlücke, das sogenannte Diastema. Die Kronen der Backenzähne besitzen den für Stachelschweine charakteristischen runden Umriss mit einer komplexen inneren Struktur. Sowohl die Gestalt der Backenzähne, als auch deren Größe definieren die Art Hystrix primigenia. Sie ist die häufigste und die größte Art unter den ausgestorbenen Stachelschweinen Europas.

Heute sind Stachelschweine in Nordamerika, Asien, Afrika und Südeuropa heimisch. Weder Entstehungsort noch -zeit der Gruppe sind bekannt. Jedoch gibt die heutige größte Artenvielfalt dieser Gruppe in Südostasien Anlass den Ursprung der Stachelschweine eben dort anzunehmen. Ähnlichkeiten in der Gestalt der Zahnkronen mit ausgestorbenen Nagetieren lassen die Paläontologen ein Entstehungsalter von mehr als 25 Millionen Jahren vermuten. Damit klafft allerdings eine ordentliche zeitliche Lücke bis hin zu den ältesten Stachelschweinfossilien, die aus österreichischen und ungarischen Fundstellen mit einem Alter von lediglich 9 bis 10 Millionen Jahren stammen. Bis heute ist dieses Rätsel nicht gelöst. Hystrix primigenia aus Pikermi ist nur 1 bis 2 Millionen Jahre jünger als die ältesten Funde.

Das typische Stachelkleid der Stachelschweine besteht aus umgewandelten Haaren. Mit bis zu 40 cm langen Einzelstacheln sind dies die längsten Stacheln bei Säugetieren. Fossil sind sie nicht erhalten. Aber die gegenwärtige, geographisch weitgestreute Verbreitung der einzelnen Stachelschweinlinien deutet darauf hin, dass es sich um ein ursprüngliches Merkmal handelt, welches schon bei den frühen Stachelschweinen entwickelt war. Deshalb dürfte auch Hystrix primigenia ein solches Stachelkleid getragen haben.



G. Rößner