April 2013: Runzelkoralle

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Strombodes stellaris
Silur (ca. 422 Millionen Jahre)
Hemse-Schichten
Kanal bei Snoder, Gotland, Schweden
Breite des Fossils: 24 cm

Die Insel Gotland ist die größte schwedische Insel und die zweitgrößte Insel der Ostsee. Ihren Namen verdankt sie dem germanischen Stamm der Goten. Die Insel gilt als ein geologisch-paläontologisches „Dorado“, da sie eine Vielfalt von weltweit bedeutenden fossilreichen Sedimentablagerungen aufweist mit denen man das Leben in den Meeren der Silur-Zeit vor mehr als 420 Mio. Jahren rekonstruieren kann. Die Schichten sind dabei sehr gut erhalten, da sie weder tektonisch stark beansprucht, noch von anderen Schichten großartig überlagert worden sind. Zur Zeit des Silurs war das heutige Schweden Teil des Urkontinents Baltica, gelegen im Äquatorialbereich.

Unter tropischen Bedingungen konnten sich daher im warmen Flachwasser viele Organismen, u.a. altertümliche Korallen und Meeresschwämme (Stromatoporen) ansiedeln und große Riffkomplexe bilden. Die Silur- und Devon-Zeit stellen die größte Blütephase der Riffe in der gesamten Erdgeschichte dar. Ein ausgeglichenes warm-tropisches Klima sowie ein außergewöhnlich hoher Meeresspiegel begünstigte die weltweite Verbreitung von Riffen bzw. die Bildung von gigantischen Riffgürteln mit über 1000 km Länge.

Strombodes stellaris ist eine Koralle, die der ausgestorbenen Ordnung der Rugosa (Runzelkorallen) zuzuordnen ist. Diese gehört wiederum zum Stamm der Cnidaria (Nesseltiere). Vor allem im Paläozoikum zählten die rugosen Korallen, zusammen mit Bödenkorallen (Tabulata) und Meeresschwämmen (Stromatoporen) zu den wichtigsten Riffbildnern. Als Spezialist für das Weichsubstrat konnten sich viele Runzelkorallen, v.a. die solitären Formen, mit Hilfe von wurzelähnlichen Auswüchsen („Schleppen“) im Untergrund verankern.



Das Skelett der Rugosa besteht aus Karbonat, welches von winzigen Calcitnadeln aufgebaut wird. Die Basis bildet dabei eine kleine „Fußplatte“ (Basalplatte), welche durch vertikale, radial stehende Septen gegliedert wird. Umgeben wird dieser Aufbau in der Regel von einer festen Wand, der sogenannten Epithek. Auf der Basalplatte der Koralle konnte sich dann ein oftmals zylinderförmiger Polyp verankern, der im Laufe des Wachstums nach unten weiteren Kalk abschied und somit das Kalkskelett auch weiter konstruktiv aufbaute. Das Einschalten bzw. die Bildung von neuen Septen erfolgte bei den Runzelkorallen in vier Sektoren, was häufig zu einer zweiseitigen Symmetrie führte im Gegensatz zu den heutigen radiärsymmetrischen Steinkorallen. Dieser zum damaligen Zeitpunkt insgesamt neuartige Aufbau scheint ein großer Vorteil gegenüber anderen marinen Gruppen gewesen zu sein, sodass eine schnelle Radiation der Rugosa ab dem mittleren Ordovizium möglich war.



Die Wachstumsgeschwindigkeit sowie das Alter einzelner Rugosa ist in der Regel an der runzeligen Epithek zu erkennen. Die einzelnen Ringe entsprechen Zuwachsstreifen, die offenbar saisonalen bzw. täglichen Rhythmen folgen. Durch das Abzählen der Ringe bzw. Runzeln lässt sich feststellen, dass das Jahr im Devon bis zu 400 Tage hatte. Dieser Umstand geht auf eine Verlangsamung der Erdrotation (v.a. durch Gezeitenreibung) im Laufe der Erdgeschichte zurück. 



Zu Beginn des 20. Jahrhundert unterteilte der Geologe Johan Ernhold Hede die silurischen Schichten Gotlands (Llandovery bis Ludlow) anhand der jeweiligen Gesteinsarten und Fossilgesellschaften in 13 verschiedene, z.T. noch heute gültige stratigraphische Haupteinheiten. Eine Einheit davon sind die Hemse-Schichten, benannt nach der Gemeinde Hemse. Snoder, Fundort unseres Fossil des Monats, liegt in dieser Schicht. Diese, bis zu 100m mächtige Gesteinseinheit besteht im Nordosten aus Kalkstein und im Südwesten aus Mergelgestein. Der fossilreiche Kalkstein beinhaltet vor allem große Riffkörper, aufgebaut aus Korallen und Stromatoporen.



Die rugosen Korallen kommen sowohl solitär als auch kolonial vor. Strombodes stellaris stellt dabei eine Form dar, die eine ästig-verzweigte Kolonie bildet. Sie wuchs als „Sedimentfänger“ und wurde in tonigem Kalkschlamm eingebettet, der zwischen den einzelnen Korallenästen überliefert ist. 
Die heute noch lebenden scleractinen Korallen (Steinkorallen) haben zwar grundsätzlich einen ähnlichen Aufbau wie die Rugosa, sind allerdings nicht mit ihnen verwandt.



Simon Schüppler und Martin Nose