Oktober 2014: Eichelwurm
Mesobalanoglossus buergeri
Bechly & Frickhinger, 1999
Oberjura (ca. 150 Millionen Jahre)
Solnhofener Plattenkalke
Wintershof, südliche Frankenalb
Länge des Wurms: 67 cm
SNSB-BSPG 1998 I 15
Eichelwürmer (Enteropneusta) sind meeresbewohnende Tiere, die von den Küsten bis in die Tiefsee hinein mit ungefähr 90 Arten weltweit verbreitet sind. Sie erreichen eine Körperlänge von 2 cm bis 2,5 m. Eichelwürmer graben mit ihrem Kopflappen, der durch einen Skelettstab versteift ist und Eichel genannt wird, U-förmige Gänge im Meeresboden. An dem einen Ende liegt ein Nahrungstrichter, am anderen Ende werden Kothäufchen abgesetzt, vergleichbar mit unserem heimischen Wattwurm, der jedoch zu den Ringelwürmern zu zählen ist und nicht näher mit den Eichelwürmern verwandt ist.
Eichelwürmer (Enteropneusta) gehören zur Gruppe der Kiemenlochtiere (Hemichordata), die als Vertreter der Neumundtiere (Deuterostomier) eng mit den Stachelhäutern (Echinodermata) aber auch mit den Chordatieren (Chordata), zu denen alle Wirbeltiere einschließlich des Menschen zählen, verwandt sind. Die Kiemenlochtiere zeichnen sich durch eine morphologische und funktionelle Dreigliederung aus. Der Kopflappen (Prosoma) wird durch einen kurzen, eichelförmigen muskulösen Bohrapparat gebildet. Daran schließen sich die Kragenregion mit der Mundöffnung und den Kiemenporen (Mesosoma) sowie der lang gestreckte Rumpf (Metasoma) an. Die Kiemenöffnungen hinter dem Kragen dienen interessanterweise nicht der Atmung, sondern der Ernährung. Die Atmung erfolgt über die am Rumpfende sitzende Afteröffnung. Daher auch der Name Enteropneusta, was übersetzt „Darmatmer“ bedeutet. Eichelwürmer besitzen eine enorme Regenerationsfähigkeit, schneidet man Eichel und Kragen ab, entwickelt sich aus dem verbleibenden Rumpf eine Knospe, die eine neue Eichel und einen neuen Kragen herausbildet.
Fossile Eichelwürmer sind außerordentlich selten. Der älteste Vertreter dieser Gruppe wurde im oberen Karbon von Illinois aus der berühmten Mazon Creek Fossilfundstelle nachgewiesen. Weitere Funde wurden im unteren Jura von Italien und mittleren Jura von Frankreich gemacht. Darüber hinaus wurden Spuren von Eichelwürmern aus der unteren Trias beschrieben. Das hier ausgestellte Exemplar Mesobalanoglossus buergeri stammt aus dem Oberjura der südlichen Frankenalb und ist das einzige bekannte Exemplar eines fossilen Eichelwurms aus den Solnhofener Plattenkalken. Merkmale wie die beachtliche Körpergröße sowie die verbreiterte Zone im Bereich der Geschlechtsorgane (Genitalflügel) lassen vermuten, dass diese fossile Art zur Familie der Ptychoderidae zu zählen ist, zu der auch ein Großteil der heute lebenden Eichelwurmarten gehört. Auffällig ist insbesondere die Ähnlichkeit zum Rieseneichelwurm Balanoglossus gigas, der an den Küsten Brasiliens zu Hause ist.
Leider ist die eiförmige Eichel nicht überliefert, sondern das Fossil beginnt mit dem rostbraun gefärbten Kragen, dahinter folgen Kiemendarm mit quer orientierten Kiemenschlitzen, Genitalregion und der restliche Rumpf. Die Afteröffnung ist nicht erhalten.Das Stück wurde vom Privatsammler Peter Bürger (gestorben 2013) aus Bad Hersfeld gefunden und im Jahre 1998 der Staatsammlung übereignet. Wissenschaftlich beschrieben wurde dieses einzigartige Fossil im Jahre 1999 vom erstgenannten Verfasser (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart) dieses Textes zusammen mit Karl Albert Frickhinger (Nördlingen, gestorben 2003), einem passionierten Hobbypaläontologen und Autor zweier schöner Bildbände über die Fossilien aus den Solnhofener Plattenkalken (Quelle & Meyer Verlag, edition Goldschneck). Zu Ehren des Finders erhielt das Stück den Artnamen buergeri.
Günter Bechly & Martin Nose