August 2014: Spurenfossil aus der Tiefsee

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Zoophycos isp.
Zementmergelserie der Flysch-Zone
Oberkreide (?Campan/Maastricht)
Blockschutt im Jenbach bei Bad Feilnbach, Oberbayern
SNSB-BSPG 2013 I 53
Maße des Spurenfossils: 38 x 26 cm

Foto: SNSB-BSPG, Manuela Schellenberger

Als Fossilien werden im Allgemeinen die körperlichen Überreste vorzeitlicher Lebewesen betrachtet, etwa Muschelschalen oder Wirbeltierknochen. Für den Paläontologen nicht weniger aufschlussreich sind Spuren, die frühere Organismen hinterlassen haben. Hierzu zählen z.B. Grabgänge von Krebsen im Meeresboden, Bohrlöcher von Muscheln in Kalksteinen und Bissspuren von Krokodilen in Knochen anderer Wirbeltiere. Meist sind die Verursacher nicht bekannt, da sie nur selten zusammen mit ihrer Spur überliefert werden.

Zu den bekannten, aber sehr widersprüchlich interpretierten Spurengattungen zählt Zoophycos, zu der unser Fossil des Monats zu stellen ist. Es handelt sich um Grabgänge, die von bisher unbekannten Tieren schraubenförmig im Meeresschlamm angelegt wurden. Die Spur besteht aus radial vom Zentrum ausgehende, leicht nach unten geneigte fingerartige Loben. Der Grabungsfortschritt innerhalb der Loben ist an den halbmondförmigen, dicht aufeinander folgenden „Spreiten“ sichtbar. Die Neuanlage von Loben mit entsprechenden Spreiten erfolgt in spiraliger Anordnung, so dass insgesamt die Form einer schraubenförmigen Grabganganlage entsteht. Die seitliche Ausdehnung der Loben wächst i.d.R. mit der Tiefe an. Über eine vertikale Röhre, die bei unserem Exemplar nicht sichtbar ist, konnte das Tier den Kontakt zum Meeresboden aufrecht erhalten. Am Außenrand der Loben zieht als Abschluss ein schmaler Gang entlang. Aufgrund der Sedimentkompaktion sind die Gänge bei fossilen Zoophycos-Exemplaren vertikal stark zusammengepresst.

Zoophycos-Spuren sind seit der Zeit des Kambrium, also seit über 500 Millionen Jahren bis heute bekannt. Sie waren im Erdaltertum noch in Flachmeeren verbreitet, sind jedoch ab dem Erdmittelalter fast ausschließlich auf Sedimente tieferer Meeresregionen beschränkt. Heutige Vorkommen kennt man aus Tiefseebohrkernen, ohne dass man bisher die Verursacher in den Gängen gefunden hätte. Man vermutet in ihnen vor allem wurmartige Organismen.

Widersprüchlich wird diskutiert, wie genau und wozu die Gänge angelegt wurden. Manche Autoren vertreten die Ansicht, dass das Tier zunächst über die vertikale Röhre tief in den Meeresboden eindrang und nach oben in Richtung Meeresboden den Bau vorantrieb. Wahrscheinlicher ist, dass Zoophycos-Gänge von oben nach unten angelegt wurden, wofür unter anderem die Ausweitung der Lobenradien in diese Richtung spricht. Überwiegend werden Zoophycos-Spuren als Fressgänge interpretiert. Das Zoophycos-Tier durchdrang das Sediment und verwertete die enthaltenen organischen Partikel. Gleichzeitig bot der Gang Schutz vor Fressfeinden. Nach einer anderen Interpretation dienten Zoophycos-Gangsysteme als Vorratsspeicher, um Zeiten geringerer Zufuhr von organischen Partikeln aus dem produktiven Flachwasserbereich zu kompensieren. Aber auch eine Funktion als reine Abfallgrube für die Entsorgung der Exkremente wird für möglich gehalten. Vielleicht trifft eine Kombination aus mehreren dieser Aspekte zu.

Unser Spurenfossil stammt aus den oberkretazischen Flysch-Sedimenten des Alpenrands nahe Bad Feilnbach. Es wurde von einem aufmerksamen Wanderer-Ehepaar im Blockschutt des Jenbach gefunden. Das Ehepaar hielt das Fossil zunächst für eine fossile Pflanze, wie übrigens auch der Erstbeschreiber von Zoophycos, der Italiener Abramo Massalongo im Jahr 1855. Querschnitte solcher Spuren waren bereits seit langer Zeit aus den Flyschgesteinen der Region bekannt und wiesen auf den Tiefseecharakter des Flysch hin. Der Neufund zeigt in dreidimensionaler Weise viele charakteristische Merkmale dieses Spurenfossils und stellt ohne Zweifel eine der schönsten Zoophycos-Spuren des alpinen Bereichs dar.

Großer Dank gebührt den beiden Findern, Karl und Zara Neder, Kolbermoor, für ihr Engagement zur Rettung dieses Spurenfossils. Hans Hofer, Bürgermeister von Bad Feilnbach, und Dr. Robert Darga, Naturkunde- und Mammutmuseum Siegsdorf, sei für Ihren tatkräftigen Einsatz bei der schwierigen Bergung des Fossils aus dem Jenbach ebenfalls herzlich gedankt.

Winfried Werner