Juli 2013: Jungtier eines Flugsauriers
Pterodactylus brevirostris (Soemmering, 1817)
Oberer Jura (ca. 150 Millionen Jahre)
Solnhofener Schichten
Wintershof bei Eichstätt
Die Flugsaurier (Pterosauria) waren die ersten aktiv fliegenden Wirbeltiere. Die Gruppe trat in der Zeit der Trias (vor ca. 230 Mio. Jahren) zum ersten Mal auf und diversifizierte sich über mehr als 150 Mio Jahre, bis sie am Ende der Kreidezeit, vor 65 Mio Jahren, ohne Nachfahren ausstarb. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich bei Flugsauriern nicht um Dinosaurier, sondern um eine eigenständige Entwicklungslinie innerhalb der Großgruppe, der auch die Dinosaurier, Krokodile und Vögel angehören, der Archosaurier („herrschende Reptilien“).
Flugsaurier sind weitgehend an das Leben als Flieger angepasst, wobei sie viele Entwicklungen zeigen, die ganz ähnlich bei den Vögeln vorkommen. So ist etwa der Schultergürtel stark umgebaut, mit einem stabförmigen Schulterblatt, das über das Coracoid (Rabenbein) direkt mit einem vergrößerten Brustbein verbunden ist, auf dem der größte Teil der Flugmuskulatur saß. Im Laufe der Evolution der Flugsaurier werden die Zähne und der lange Knochenschwanz reduziert. Besonders erwähnenswert ist auch eine extreme Pneumatisierung der Knochen: Praktisch alle Knochen des Flugsaurierskelettes sind hohl, mit nur sehr dünnen Wänden und dünnen internen Stützstreben. Dadurch ist das Flugsaurierskelett extrem leicht gebaut; Berechnungen zufolge wogen selbst große Tiere, mit 6-7 m Spannweite, vermutlich nicht mehr als 75 kg. Der eigentliche Flugapparat war dabei deutlich anders gebaut als bei den Vögeln: Der vierte Finger der Hand ist stark verlängert und spannt eine Flughaut, die sich zwischen diesem Finger, dem Körper und dem Oberschenkel erstreckt. Diese Konstruktion war offenbar sehr erfolgreich; zu den Flugsauriern gehören die größten fliegenden Wirbeltiere überhaupt, die Spannweiten von vermutlich 12 m erreichten.
Bei unserem Fossil des Monats handelt es sich um einen der ersten wissenschaftlich untersuchten Flugsaurier, der bereits 1817 von dem deutschen Universalgelehrten Samuel Thomas von Soemmering (1755-1830) beschrieben wurde, der das Tier noch für eine Fledermaus hielt. Das Fossil stammt aus den Solnhofener Plattenkalken des Altmühltales. Aufgrund ihrer hohlen Knochen und generellen Leichtbauweise ist der Fossilbericht der Flugsaurier eher schlecht und besteht meist nur aus isolierten Knochen und Fragmenten; nur in solchen aussergewöhnlichen Fundstellen wie den Solnhofener Schichten haben wir die Möglichkeit, vollständige Skelette dieser faszinierenden Tiere zu finden. Daher sind Fossillagerstätten wie die Plattenkalke des Altmühltales von größter Bedeutung für unsere Kenntnis der Anatomie und Biologie der Flugsaurier. Dies gilt in ganz besonderem Ausmaß für Aspekte wie das Wachstum, zu dessen Studium man mehrere Exemplare verschiedener Alterstadien braucht.
Wie die meisten Reptilien schlüpften auch Flugsaurier aus Eiern. An Jungtieren, wie dem hier ausgestellten, kann man mehrere interessante Sachen feststellen. Zum Einen findet sich auch bei Flugsauriern im Kopf das „Kindchenschema“: Die Augen sind größer und die Schnauze deutlich kürzer als bei ausgewachsenen Tieren. Zum Anderen zeigt dieses Fossil, dass bereits bei ganz jungen Flugsauriern die Knochen gut verknöchert und die Gelenke fertig ausgebildet waren, was generell auf Nestflüchter hindeutet, also Tiere, die schon kurz nach dem Schlüpfen aktiv und weitgehend eigenständig sind. Aber nicht nur das: Erstaunlicherweise sind auch die Proportionen der Jungtiere, insbesonders was die Flügel angeht, denen der ausgewachsenen Tieren sehr ähnlich. Dies deutet darauf hin, dass Flugsaurier schon kurz nach dem Schlüpfen flugfähig waren – was wiederum unterstreicht, wie gut diese Tiergruppe an die fliegende Lebensweise angepasst war!
PD Dr. Oliver W. M. Rauhut