Juni 2012: Schädel eines Delfins
Eoplatanista sp.
Alter ca. 22 Millionen Jahre (Miozän)
Region Traun-Pucking bei Linz (Österreich)
Länge 64 cm
BSPG 1992 I 10
Delfine gehören zu den Walen und damit zu Säugetieren, die sich vollständig an ein Leben im Wasser angepasst haben. Charakteristisch ist der stromlinienförmige Körper mit fehlenden Hinterextremitäten und zu Flossen (Flippern) umgewandelten Vorderextremitäten. Außerdem trägt der Rücken eine dreieckige Finne und das Schwanzende eine Fluke, die sie zu schnellen Schwimmern machen. Zum Atmen über die auf die Schädeloberseite verlagerte Nasenöffnung, das Blasloch, müssen sie auftauchen. Die Form des Kopfes ist markant geprägt durch stark verlängerte Kiefer und das für die Echoortung wichtige gewölbte Organ vor der Stirn, die sogenannte Melone. Ihr Gebiss besteht aus zahlreichen, gleichförmigen, einspitzigen Zähnen (Homodontie), das sich in Anpassung an die Ernährung mit Fischen aus dem ansonsten in Schneide-, Eck- und Backenzähne unterteilten Gebiss der Säugetiere (Heterodontie) entwickelt hat.
Delfine sind auch als Fossilien bekannt. Diese Funde lassen ihre Entwicklungsgeschichte als eine Gruppe der Zähne tragenden Wale (Zahnwale) bis vor ungefähr 28 Millionen Jahren in das späte Oligozän zurückverfolgen und dokumentieren eine frühe weltweite Verbreitung. Das Fossil des Monats ist der Schädel eines Delfins, der vor ca. 22 Millionen Jahren im Paratethysmeer im Raum des heutigen Oberösterreich gelebt hat. Die Gattung Eoplatanista ist durch eine besonders lange und schmale Schnauze mit vielen kleinen kegelförmigen Zähnen gekennzeichnet. Der Gehirnschädel ist zwar flachgedrückt, aber doch nahezu komplett mit Schädeldach, Schädelbasis und verknöcherten Anteilen des Ohres erhalten. Dies macht ihn zu einem besonderen Fund, der wichtige Rückschlüsse auf die Schädelanatomie und damit auch auf das Evolutionsstadium der Echolokation und des Gehörs ziehen lässt. Dieser Schädel wurde im Jahre 1992 von unserem Fördervereinsmitglied Jürgen Pöllerspöck in marinen Tonen nahe Linz in Oberösterreich entdeckt, ausgegraben und als Geschenk der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie übergeben. Eoplatanista gehört zu einer endemischen europäischen Delfingruppe des frühen Miozän (23 bis 16 Millionen Jahre vor heute). Die Form des Schädels mit der langen Schnauze lässt auf ein noch unterentwickeltes Echoortungssystem und die Beutesuche mit der Schnauze am Meeresgrund gut durchlichteter Flachmeerbereiche schließen. Ein vergleichbares Verhalten zeigen die heutigen Flussdelfine. Diese sogenannten longirostralen-neritischen Delfine waren damals dominante Vertreter der Zahnwalfaunen des Mittelmeeres und den umgebenden Regionen. Die Gesteine im Bereich Traun-Pucking sind bekannt für ihren Fossilreichtum. Neben Mikrofossilien, Algen, Muscheln, Schnecken, Tintenfischverwandten und Fischen sind die Delfinreste Zeugen einer damaligen Meeresbedeckung im Nördlichen Alpenvorland, die ein West-Ost verlaufender, schmaler nördlicher Meeresarm des Vorläufers des Mittelmeeres war, der sich erst gegen Ende des Miozän vor ca. 9 Millionen Jahren nach Osten zurückgezogen hat. Überreste dieses Meeres sind das heutige Schwarze Meer, das Kaspische Meer und der Aralsee.
G. Rößner