Oktober 2011: Blattscheide eines Schachtelhalmgewächses

Equisetites arenaceus (Jaeger) Schenk
Unterer Keuper, Lettenkohle, Obere Trias

Alter: ca. 220 Millionen Jahre
Fundort: Schweinfurt, Deutschland
Breite des Fossils: ~5 cm

Foto: C. Pott, Stockholm

Auf den ersten Blick ist das Fossil des Monats Oktober ein recht eigenartiges Gebilde. Irgendwie erinnert es etwas an eine Krone oder ein Segment aus einem winzigen Lattenzaun – doch ist es pflanzlich, und kommt sogar bei einigen heutigen Pflanzen noch vor, die vermutlich jeder schon einmal gesehen hat. Bei dem Fossil handelt es sich um einen Blattwirtel eines Schachtelhalmgewächses aus der Gattung Equisetites Sternberg. Die Gattung Equisetites ist fast ausschließlich mesozoisch (Trias-Kreide), und beinhaltet Pflanzen, die von ihrer äußeren Gestalt her durchaus an moderne Schachtelhalme (Gattung Equisetum L.) erinnern, jedoch zum Teil eine stattliche Größe von 4–6 m  erreichen konnten (die größten modernen Schachtelhalme werden kaum höher als 2–3 m). Equisetites-Pflanzen bestanden aus unterirdischen Kriechsprossen (Rhizomen) und aufrechten, oberirdischen, unverzweigten oder verzweigten Luftsprossen von bis zu 20 cm Durchmesser, welche regelmäßig in Knoten (Nodien) und dazwischen liegende Internodien unterteilt waren. Diese klare Unterteilung der Sprosse (und Seitenäste, wenn vorhanden) in Nodien und Internodien ist ein charakteristisches Merkmal aller fossilen und heutigen Vertreter der Schachtelhalmgewächse (Sphenophyta).

An jedem Nodium trug Equisetites einen Kranz (Wirtel) aus kleinen Blättern, die dem Stamm anlagen. Die Blätter waren linealisch, von nur einer unverzweigten Ader durchzogen und am distalen Ende spitz zulaufend. Die Blätter eines Wirtels waren an den Seiten miteinander verwachsen, wodurch eine Blattscheide entstand, die wie eine Manschette das Nodium umfasste, und in welcher lediglich die Blattspitzen (Scheidenzähne) frei waren (Abb. 1). Bildete die Pflanze an einem Nodium auch Seitenäste aus, so brachen die Seitenäste durch die Blattscheide.

Abb.1: Rekonstruktion eines Nodiums
von Equisetites arenaceus mit Blattscheide
und mehreren, die Blattscheide durchbrechende
Seitenäste (verändert nach Kelber &
van Konijnenburg-van Cittert 1998).

Abb. 2: Detail aus dem Querschnitt durch
eine Blattscheide von Equisetum hyemale
L. Ankerzelle (Pfeil)
in der Verwachsungsnaht

zwischen zwei Blättern (B1, B2) (Foto M. Krings).

Das Fossil des Monats Oktober ist nun eine solche Blattscheide, die sich – aus welchem Grund auch immer – vom Spross abgelöst hat und isoliert fossilisiert wurde. Das Fossil kann Equisetites arenaceus (Jaeger) Schenk, dem wohl best bekannten Vertreter der Gattung aus der Obertrias Mitteleuropas zugeschrieben werden. Das Stück zeigt 16 über eine Länge von ~3.5 cm miteinander verwachsene, 0.3 cm breite Blätter eines Wirtels in Abdruckerhaltung; die unverzweigte Ader, die jedes Blatt bis zur Spitze durchzieht, ist im oberen Teil einiger Blätter als dunkle Linie ebenfalls zu erkennen. Die freien, spitz zulaufenden Scheidenzähne sind bis zu 0.8 cm lang. Gut zu erkennen sind auch die als Furchen ausgebildeten Verwachsungszonen (Kommissuralfurchen) zwischen den einzelnen Blättern, in welchen bei modernen Schachtelhalmen eine Reihe speziell geformter Zellen, die auf Grund ihrer Form so genannten Ankerzellen (Abb. 2), die eigentliche Verwachsungsnaht bilden. Vermutlich kamen auch in den Verwachsungsnähten der fossilen E. arenaceus solche Ankerzellen vor.

Equisetites arenaceus war zweifelsohne einer der imposantesten Vertreter der Schachtelhalmgewächse im Mesozoikum Europas. Kaum jedoch konnte diese Pflanze an die Statur ihrer jungpaläozoischen Verwandten aus dem Karbon, den Calamiten, heranreichen, die Stämme von >50 cm Durchmesser besaßen und zum Teil eine Höhe von 15–20 m erreichen konnten.             



Michael Krings