März 2012: Skelett einer Altfledermaus

BSPG 1975 I 18
Palaeochiropteryx tupaiodon Revilliod, 1917
Mittleres Eozän (Lutetium, ca. 47 Millionen Jahre)
Grube Messel bei Darmstadt, Hessen
Unterarmlänge: 41 mm
Geschenk der „Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Historische Geologie“.

Fledermäuse sind eine eigenständige Ordnung der Säugetiere, die nicht unmittelbar mit den Mäusen (Ordnung Nagetiere) verwandt ist. Sie zeichnen sich durch eine an den Armen und zwischen den verlängerten Fingern, den Beinen und dem Rumpf aufgespannte Flughaut aus. Bekannt sind sie für ihren ausgefallenen Orientierungssinn mittels Echolokation, bei der das Echo der vom Tier selbst im Ultraschallbereich ausgestoßenen Schreie analysiert wird, um ein räumliches Bild der Umgebung zu bekommen. Fledermäuse sind daher vor allem auch nachts oder in Höhlen in der Lage, sich zu orientieren. Die Echolokation dient darüber hinaus bei insektenjagenden Fledermäusen zur Ortung der Beute.

Fossilien von Fledermäusen sind Raritäten. Dies liegt in erster Linie an dem zarten Körper der Tiere, der nach deren Tod allzuleicht zerstört wird. In Höhlensedimenten vor allem aus dem Eiszeiten-Zeitalter Quartär oder in Gewöllen von Eulen können zerstreute Fledermausreste aber mitunter recht häufig sein. Ganze Skelette findet man nur in Ausnahmesituationen wie zum Beispiel im Ölschiefer der Grube Messel bei Darmstadt. Vermutlich waren giftige Gase über dem See, verursacht durch vulkanische Ausgasungen, die Ursache für den Tod und Absturz der Tiere. Die Skelette der toten Fledermäuse wurden hier aber nicht zersetzt, da lebensfeindliche Umstände, nämlich das Fehlen von Sauerstoff im Seebodenbereich, die Verwesung unterbunden haben.

Unser Fossil des Monats ist das vollständige Skelett der Altfledermaus Palaeochiropteryx tupaiodon, welche in der Grube Messel die kleinste und häufigste Fledermausart darstellt. Nach der Länge des Unterarms errechnet sich die Flügelspannweite auf ca. 26,5 cm und das Körpergewicht auf 9 g. Das Stück war übrigens das erste, welches der vor 40 Jahren gegründete Förderverein „Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Historische Geologie“ zum stolzen Preis von 2500 DM erwarb und der Staatssammlung zum Geschenk machte.
Mit etwa 7 belegten Arten ist die Fledermausfauna der Fundstelle Messel relativ reichhaltig – entsprechend einer tropischen Faunengemeinschaft von heute. Die einzelnen Arten und Gattungen unterscheiden sich in ihrer Größe, Flügelproportionen, Gebißanpassungen, usw. hinreichend, so dass eine ökologische Einnischung ohne größere Konkurrenzprobleme angenommen werden kann. Wie beinahe alle Fledermäuse aus Messel, ist Palaeochiropteryx mit keiner der heutigen Fledermausfamilien näher verwandt sondern gehört vielmehr einer Familie an, die noch am Anfang der Entwicklung der Fledermausordnung steht. Gegenüber noch primitiveren Formen aus der gleichen Fundstelle (Archaeonycteris) weist Palaeochiropteryx jedoch bereits einige fortschrittliche Merkmale auf: So ist zum Beispiel die knöcherne Ohrkapsel deutlich vergrößert und mit verlängertem Innenohrgang versehen und das weist auf verbesserte Echolokation wie bei modernen Fledermäusen hin. Die Analyse von Mageninhalten zeigt, dass Palaeochiropteryx ein Insektenjäger war. Überraschenderweise war Palaeochiropteryx tupaiodon jedoch sehr wählerisch und hat ausschließlich Motten, also nachtaktive Schmetterlinge, gefressen. 




Markus Moser