März 2011: Stromatolith

Asperia digitata (Grey, 1984)
Präkambrium (ca. 1,7 Milliarden Jahre)
Yelma-Formation, Wiluna, Westaustralien
Breite der polierten Platte: 30 cm

Foto: G. Janßen

Das Fossil des Monats März ist ein sogenannter Stromatolith aus dem Präkambrium von Westaustralien. Der Name Stromatolith (griechisch = Lagenstein) wurde auf der Grundlage von Untersuchungen im deutschen Buntsandstein (untere Trias-Zeit) für laminierte, meist kalkige Strukturen eingeführt. Schon damals erkannte man den organischen Ursprung derartiger Bildungen. Die Auffassung, dass Mikroben bzw. „Algen“ an der Entstehung der Stromatolithe beteiligt sind, wurde dann später durch weitere Forschungen bestätigt und näher belegt.

Der Westen und Nordwesten Australiens ist in der wissenschaftlichen Welt berühmt für seine präkambrische Geologie mit vielfältigen Zeugnissen des frühen Lebens auf der Erde. Hier fand man die ältesten Fossilien (Bakterien aus dem Apex Chert, 3,5 Milliarden Jahre) sowie ein breites Spektrum an Stromatolithen in den unterschiedlichsten Gesteinsschichten. Vergesellschaftet mit Stromatolithen findet man hier gigantische Vorkommen von sogenannten Bändereisenerzen, die die größten Eisenerzvorkommen der Erde und die Grundlage für unsere heutige Stahlindustrie darstellen. Stromatolithe sind Produkte bakterieller Stoffwechselvorgänge und auch für die Bändereisenerze ist eine Entstehung unter Mitwirkung von Bakterien wahrscheinlich.

Obwohl im Präkambrium am weitesten verbreitet, treten Stromatolithe auch heute noch auf. Durch das Studium der Bildung lebender Stromatolithe lassen sich ihre Entstehungsprozesse heute allgemein gut beschreiben. Sromatolithe gehen zurück auf Mikrobenmatten (häufig Photosynthese-betreibende Cyanobakterien), die wie lebende Teppiche den, ev. episodisch trockenfallenden Boden eines Gewässers überziehen können. Die Mikroben sind eingebettet in ein Netz aus Schleim, der aus Polysacchariden und Proteinen besteht und aus dem Stoffwechsel der Mikroben selbst resultiert. Diese extrazellulären polymerischen Substanzen (EPS) spielen eine Schlüsselrolle bei der Verkalkung der Mikrobenmatte bzw. bei der Bildung der Stromatolithe. Die EPS reagieren durch die vorhandenen Carboxylgruppen (COO-) wie eine Säure. Hierdurch kommt es zur Konzentration von divalenten Kationen, v.a. Ca2+-Ionen, die zusammen mit CO32- -Ionen aus dem Stoffwechsel der Bakterien oder aus dem Umgebungsmilieu Kalziumkarbonat bilden können, trotz des sauren Charakters der EPS. Mit diesem Prozess wird ein ansonsten schädlicher Ca2+ -Überschuss aufgefangen und neutralisiert (Ca-Detoxifikationshypothese), die Mikrobenmatte verkalkt. Ein anderer Verkalkungsprozess hängt vermutlich mit der Zersetzung von Teilen der Mikrobenmatte zusammen. Der Abbau der organischen Substanzen führt zu einer Erhöhung der Alkalinität und begünstigt damit die Bildung von Kalziumkarbonat. Dieser Prozess scheint maßgeblich verantwortlich zu sein für die Ausbildung der typischen Lagen bzw. Laminae in den Stromatolithen. Neben Kalkbildung durch mikrobielle Stoffwechselvorgänge und Degradation der mikrobiellen Matten, spielt offenbar auch das Fangen und Binden von Sedimentpartikeln durch die Mikroben beim Aufbau stromatolithischer Strukturen eine Rolle. Dieser Prozess scheint insbesondere im bewegten Wasser des Gezeitenbereiches von Bedeutung zu sein.

Fossile Stromatolithe weisen eine große Fülle von unterschiedlichen Morphologien auf. Diese Vielgestaltigkeit geht häufig auf unterschiedliche Umweltbedingungen (u. a. Wasserenergie, Salinität) zur Bildungszeit zurück. Die Klassifikation von Stromatolithen richtet sich nach der Gesamtwuchsform, der Art der Lamination und der Mikrostruktur. Nomenklatorisch werden sie i. d. R. wie Organismen behandelt und gemäß der von Carl v. Linné eingeführten binominalen Unterteilung als Gattung und Art beschrieben. Hinweise auf die für die Stromatolith-Bildung ursächlichen Mikroben fehlen allerdings in den allermeisten Fällen.

Der Stromatolith Asperia digitata (Grey, 1984) stammt aus dem Earaheedy Basin aus der Yelma-Formation in der Nähe der Stadt Wiluna und hat ein Alter von ca. 1,7 Milliarden Jahren. Die polierte Gesteinsplatte zeigt hell- bis dunkelgraue, säulen- bzw. fingerförmige Strukturen, die sich nach oben buschartig verzweigen. Dies sind die eigentlichen stromatolithischen Bildungen, die sich farblich sehr schön von der bräunlichen Gesteinsgrundmasse abheben. Stromatolithe vom Typ Asperia digitata bildeten sich vermutlich in brackischen Marsch-Gebieten.

Stromatolithe sind beeindruckende Zeugen des frühen mikrobiellen Lebens auf der Erde, lange bevor sich höhere, vielzellige Organismen entwickelten. Schaut man heute ehrfürchtig auf diese uralten mikrobiellen Gesteine und versucht sich diese Welt, dominiert von schleimigen Mikrobenmatten, vorzustellen, sollte man sich nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, sondern einfach an die westaustralische Küste an die Shark Bay (Hamelin Pool), südlich von Carnarvon, fahren. Hier wachsen heute Stromatolithe in einer übersalzenen Lagune, ein Fenster in eine längst vergangene Zeit!

Martin Nose