Juni 2011: Korallenbohrschnecken

aus dem Indopazifik
Magilus antiquus Montfort, 1810 Holozän
BSPG 2001 I 31
Sumatra, Indonesien
Alter: weniger als 1000 Jahre
Breite: 18 cm

Foto: G. Janssen / © Paläontologisches Museum München

Das Fossil des Monats Juni besteht aus einem Korallenbruchstück, in das drei Individuen der korallenbewohnenden Schnecke Magilus antiquus eingebettet sind. Steinkorallen sind die wichtigsten Bildner von heutigen tropischen Riffen. Ihre massiven Kalkskelette werden oft von anderen Organismen, wie zum Beispiel Muscheln, angebohrt. Korallen dienen verschiedensten Meerestierarten als Wohnort und Nahrungsquelle. Magilus antiquus gehört zur Schneckenfamilie Coralliophilidae, deren Vertreter sich, wie der Name andeutet (Korallen liebend), von Korallen ernähren. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe sitzen außen auf den Korallen und saugen an deren Gewebe. Magilus antiquus ist jedoch eine der wenigen Arten der Coralliophilidae, die Korallen anbohren und in ihnen leben. Diese Lebensweise erfordert spezielle Anpassungen und führt zur ungewöhnlichen Schalenform dieser Schnecken

Das lebende Gewebe von Steinkorallen beschränkt sich auf die oberste Lage des Korallenstocks und scheidet nach und nach das Kalkskelett aus, wodurch der Stock nach oben und zur Seite hin wächst. Die inneren Bereiche des Korallenskelettes enthalten kein lebendes Gewebe mehr. Die Schwimmlarven der Korallenbohrschnecke siedeln sich zunächst auf der Oberfläche der Koralle an. Die Jungtiere bohren sich dann in die Koralle hinein. Die ersten Windungen der Schale von Magilus antiquus sind noch schneckenförmig aufgewunden. Mit dem Fortbau des Korallenskeletts bildet die Schnecke jedoch eine unregelmäßig wachsende Röhre aus, deren Öffnung die Oberfläche des Korallenstocks erreicht und die Verbindung zum Meerwasser herstellt. Mit zunehmendem Wachstum der Koralle verlängert die Schnecke diese Röhre. Gleichzeitig wird der hintere Teil des Schneckengehäuses sukzessive mit massiven Kalkablagerungen gefüllt und das Schneckentier lebt nunmehr im vorderen Teil der Röhre.

Die Ernährungsweise der Korallenschnecke ist nicht ganz klar. Korallenbohrschnecken haben nach derzeitigem Kenntnisstand weder eine Raspelzunge noch Kiefer, wie es sonst bei Schnecken üblich ist. Der Verlust dieser Merkmale ist bei Schnecken oft Folge einer parasitischen Lebensweise. Vermutlich saugt Magilus antiquus mit einem ausfahrbaren Rüssel am Korallengewebe und nimmt Schleim auf, den die Korallen absondern. Demnach wäre sie ein echter Parasit. Es wurde aber auch vermutet, dass die Schnecke ihre Nahrung aus dem Meerwasser bezieht , indem sie Nahrungspartikel entweder aus dem Wasser filtert oder mit Schleimfäden fängt. Letzteres ist von den Wurmschnecken (Vermetidae) bekannt, die gleichfalls festsitzende Röhren bauen. Eine solche Lebensweise von Magilus antiquus vorausgesetzt, könnte es der Schnecke zugute kommen, dass auch die Steinkorallen auf Nahrung aus dem Wasser angewiesen sind und sich entsprechend positionieren. Andererseits leben alle nächsten Verwandten der Korallenbohrschnecke offenbar parasitisch saugend und verharren dabei an einer Stelle auf dem Korallenstock. Die parasitische Lebensweise ist daher auch für Magilus antiquus wahrscheinlich. Die Schnecke saugt vermutlich über die Öffnung der Röhre am benachbarten Korallengewebe. Das Leben im Korallenstock könnte dabei dem Schutz vor Fressfeinden dienen. Letzte Sicherheit über die Ernährungsweise von Magilus antiquus kann nur die genaue Beobachtung lebender Tiere bringen.

Das Alter des vorliegenden Stückes ist nicht genau bekannt; es ist vermutlich recht jung. Magilus antiquus kommt heute noch lebend vor. Fossil ist er seit dem frühen Miozän bekannt (ca. 20 Millionen Jahre). Diese und ähnliche Arten von Bohrschnecken sind aus Korallenriffen des gesamten Indopazifik bekannt.



A. Nützel

BU: Korallenbohrschnecken Magilus antiquus in einem Bruchstück eines Korallenstockes.