Juli 2012: Fossiler Kurzschwanzkrebs

Harpactocarcinus punctulatus (Desmarest, 1822)
Obereozän
Alter: ca. 40 Millionen Jahre
Negrar bei Verona, Italien
Durchmesser des Panzers: 7 cm

Foto M. Schellenberger © BSPG

Reste dieses etwa handtellergroßen Kurzschwanzkrebses haben dank ihrer Häufigkeit in den obereozänen Gesteinen des Vicentin und wegen ihrer meist guten Erhaltung schon früh die Aufmerksamkeit von Sammlern und Naturforschern erregt. Bereits vor mehr als 200 Jahren, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurden solche Stücke als fossile Krabben abgebildet. Den Artnamen „punctulatus“ (der punktierte) gab Anselm Gaëtan Desmarest in seiner „Histoire naturelle des Crustacés fossiles“ 1822, der ersten Monographie über fossile Krebse. Es ist ein treffender, wenngleich nicht charakterisierender Name, denn die feine Punktierung des Krebspanzers ist allen Vertretern dieser Gattung gemeinsam, die im Eozän besonders in der Tethys weit verbreitet war. Die Ausbildung des Vorderseitenrandes ist für eine Unterscheidung besser geeignet. Zwischen dem feingezähnelten Rand von Harpactocarcinus punctulatus und dem ganz glatten Rand von Harpactocarcinus bittneri gibt es alle Übergänge. Dieses Unterscheidungsmerkmal nutzte Desmarest für die Benennung der Art Harpactocarcinopsis quadrilobatus (der vierlappige), einem mit vier Zähnen bewehrten Vertreter, der in den Helvetikum-Schichten am bayerischen Alpennordrand, z. B. an den Fundstellen Kressenberg und Adelholzen nicht selten zu finden ist.

Die Art H. punctulatus zählt innerhalb der Decapoda (Zehnfüßer) zur Familie der Zanthopsidae. Während der Eozän-Zeit besiedelten die Vertreter dieser Familie Schelfbereiche des offenen Meeres unterhalb der von Wellen beeinflussten Zone. Heute lebende Angehörige dieser Familie der Krebse zeichnen sich häufig durch eine bunte Färbung des Panzers aus. Sie gelten aufgrund einer Symbiose mit speziellen Bakterien als sehr giftig, eine Eigenschaft, die auch durch Kochen der Tiere nicht beseitigt werden kann.

In der Regel findet man von eozänen Harpactocarcinus-Krabben Exemplare in Sammlungen, die außer Rückenpanzer und Unterseite noch das erste Scherenpaar zeigen. Individuen mit allen 10 Beinen tauchten erst in den 1970er Jahren – zunächst gelegentlich, dann immer häufiger – im einschlägigen Handel auf. Sie zeugen von der handwerklichen Geschicklichkeit der Präparatoren, denn bei solchen Exemplaren müssen die feinen Beinchen aus dem harten Gestein einzeln frei präpariert werden. Das vermehrte Auftauchen kompletter Stücke zeugt aber auch von der immer stärker gewinnorientierten Sammelleidenschaft einfallsreicher Sammler und Händler. Denn oft werden fehlende Glieder und Beine ersetzt und ergänzt und dabei werden Ersatzteile anderer Exemplare verwendet. Leider kommt es dabei häufig vor, dass die Beine nicht in der richtigen Position und in ihrer natürlichen Stellung angebracht werden. Hingegen sind die Fresswerkzeuge (Mandibeln) stets in ihrer natürlichen Stellung erhalten. Die vorliegende Krabbe gehört sicherlich zu den gut präparierten und wenig ergänzten Exemplaren.Unser Fossil des Monats ist eine der frühesten Erwerbungen der „Freunde“, dem Förderverein der Staatssammlung, der im Jahr 2012 sein 40-jähriges Bestehen begeht.

R. Förster, W. Werner