August 2011: Schädel des löwenköpfigen Hauerzahnsauriers

Dicynodon leoniceps Owen,
1876 BSPG 1934 VIII 49

Oberes Perm (Changhsingium, Cistecephalus-Zone,
ca. 254 Millionen Jahre) Wilgebosch bei
New Bethesda, Kap-Provinz, Republik Südafrika
Länge des Schädels: 43 cm
© Paläontologisches Museum München

Die erfolgreichste Gruppe der Landwirbeltiere des Erdaltertums waren die „Reptilienähnlichen Säugetiere“ oder Synapsida: Hierzu zählen echte Vorläufer sowie auch entferntere Verwandte der Säugetiere, die noch einen reptilienartigen Körperbau aufwiesen. Die größte Untergruppe, die Ordnung Dicynodontia, ist nach der Gattung Dicynodon („Zweihundezähner“) benannt worden, die in manchen Schichten Südafrikas so häufig anzutreffen ist, dass die leicht identifizierbaren Schädelreste als Leitfossilien einer Dicynodon-Zone (oder früher Daptocephalus-Zone genannt; ca. 252-254 Millionen Jahre alt) gebraucht wurden. Auch über Südafrika hinaus wurde Dicynodon in zahlreichen Arten in Zambia, Tansania, Schottland, Rußland, China und Laos gefunden und belegt zusammen mit anderen Faunenelementen die paläogeographische Verbindung dieser Erdteile in einem Superkontinent Pangaea, der sich erst im Laufe des Erdmittelalters in einzelne Kontinente aufgetrennt hat.
 

Der hier gezeigte Schädel wurde vom früheren Konservator der Paläontologischen Staatssammlung Joachim Schröder bei einer Expedition nach Südafrika im Jahr 1928 in der Cistecephalus-Zone gefunden, welche der Dicynodon-Zone unmittelbar vorangeht. Er gehört einer besonders großwüchsigen Art an, die vom englischen Wirbeltierpaläontologen Richard Owen als Dicynodon leoniceps beschrieben und benannt wurde. Die Dicynodontier zeichnen sich durch ein stark reduziertes Gebiss aus, bestehend aus zwei kräftigen Hauern (Oberkiefereckzähne) und ansonsten zahnlosen Kiefern. An den Kieferspitzen befand sich ein Hornschnabel mit einer scharfen Schneidekante, die bis einschließlich einer gut erkennbaren Rinne im Unterkiefer in das Maul hineinreichte. Der Unterkiefer wurde mittels einer außerordentlich kräftigen Kaumuskulatur bewegt – wie uns die für diese Muskeln vorgesehenen großen Schläfenöffnungen hinter den Augen zeigen. Als Hauptnahrungsquelle werden von den Forschern in erster Linie Pflanzen vermutet. Die Funktion der Hauer ist nicht näher bekannt, allerdings zeigen nur einige Individuen diese Zähne, während andere gänzlich zahnlos sind, so dass man annehmen kann, dass es ein Geschlechtsunterschied war. Der Körper der Tiere war von eher gedrungener Gestalt, mit seitlich angewinkelten Vorderbeinen und einem kurzen Schwanz. Sie ähnelten daher entfernt unseren Flusspferden oder mehr noch den Horndinosauriern der Kreidezeit, mit denen sie auch den Hornschnabel und den kräftigen Biss gemein hatten.

Skelett des Dicynodontiers Stahleckeria aus der Oberen
Trias von Brasilien (aus Huene 1956). Bei Stahleckeria
war die Gebissreduktion soweit fortgeschritten,
dass überhaupt keine Zähne ausgebildet wurden.
Das Tier wurde etwa so groß wie ein Rind.

Am Ende des Erdaltertums vor 252 Millionen Jahren ereignete sich in Sibirien eine große vulkanische Katastrophe, in deren Folge 95% aller Arten der Welt ausgestorben sind. Erstaunlicherweise waren jedoch die Landwirbeltiere des Südkontinents davon noch am Wenigsten betroffen und konnten sich anschließend wieder, wenn auch mit leicht veränderten Arten, im Erdmittelalter ausbreiten, bis ihnen die Dinosaurier und andere neuentstandene Gruppen im Konkurrenzkampf überlegen wurden. Nach einem einzelnen, fraglichen Überrest konnten sich die letzten Vertreter der Dicynodontier vielleicht  in entlegenen Regionen wie Australien bis in die Kreidezeit (vor 112 Millionen Jahre) halten, aber andernorts sind sie bereits vor Ende der Triaszeit (vor ca. 205 Millionen Jahren) ausgestorben.

Markus Moser